16.01.: Immisitzung 2015 feiert Premiere
Manche Streitereien finden nie ein Ende. Etwa darüber, wem welches Land als erstem gehörte. Oder wem der Apfel zusteht, der da bei der Premiere der Immisitzung mitten auf der Bühne im Kölner Bürgerhaus Stollwerck liegt. Schon liegen sich die Immi-Mitglieder in den Haaren: Gehört der Apfel dem, der ihn sich aus der Kiste genommen hat? Oder dem, der den Apfelbaum gepflegt hat? Oder jenem, der ihn gepflanzt hat?
Der Zoff zwischen den Menschen, die Reibereien zwischen den Kulturen: Das ist auch in diesem Jahr ein Kernthema der Immisitzung. Kölns Multi-Kulti-Karnevalssitzung ist diesen Donnerstag in seine bisher längste Session gestartet: 23 Mal tritt das Ensemble auf die Bühne, viele Termine sind schon ausverkauft. Im sechsten Jahr seit ihrer Gründung lockt die internationalste Bühnenschow im Kölner Karneval 8500 Zuschauer in die Kölner Südstadt.
Die Immisitzung – das sind Schauspieler und Musiker, Sänger und Puppenspieler, deren Wurzeln in aller Welt liegen: In Brasilien, Indien, den USA, Kasachsten und sogar in Düsseldorf. Gemeinsam führen sie Sketche, Songs und Tanzchoreographien auf, in denen von Schunkeln bis Samba, von arabischer Musik bis zum griechischen Rembetiko die verschiedensten Rhythmen stecken.
Immis, das sind „imitierte Kölner“, die nicht von hier kommen, Immigranten, die in Deutschland ein Zuhause gefunden haben. „Jede Jeck is von woanders“, lautet das Motto der Immisitzung. Und darum geht es: Den anderen akzeptieren, sich für das Fremde interessieren, friedlich zusammenleben. Eine Botschaft, die in Zeiten von Anschlägen und Fremdenfeindlichkeit wichtiger ist denn je.
Vor allem aber zieht das Immi-Ensemble während der dreistündigen Bühnenshow alles durch den Kakao, auch sich selbst (Wir klingen komisch, das sehen wir ein. / Und manchmal scheinen wir verrückt zu sein). Und so beginnt ein Abend voller bissiger Pointen, irrer Sketche und ironischer Songs. Durchs Programm führt die deutsch-brasilianische Schauspielerin Myriam Chebabi alias „ImmiMymmi I., die brasilianische Jungfrau“.
Die Immis stellen sich etwa die Frage: Wie würde es in Altenheimen zugehen, wenn massenhaft spottbillige Pflegekräfte verfügbar wären? Nicht unbedingt besser, wie ein bettlägriger Senior erfahren muss, der nur ein Glas Wasser möchte – den aber in der Schar der ausländischen Pfleger niemand versteht. Man kann den Schluss ziehen: Sollen die Alten gut versorgt, muss auch das Personal gut bezahlt sein.
Ein anderer Senior muss wenig später feststellen, dass trotz einem harten Arbeitsleben seine Rente kaum zum Überleben reicht – und erst recht nicht für den Traumurlaub auf der AIDA. Der Alte fast einen heiklen Entschluss: Er geht einen Pakt mit dem Teufel ein und verkauft ihm seine Seele, um noch einmal jung zu sein. Er durchlebt erneut sein Leben im Schnelldurchlauf, am Ende ist er wieder 92. Die Rente aber, die reicht noch immer nicht.
Und hier geht es erst richtig los mit der politischen Satire: Türkin Selda Akhan erzählt vom Diktatoren-Quartett, das die Schauspieler hinter der Bühne spielen, um sich die Zeit zu vertreiben. Es gibt neue Trumpfkarten („Putin hat aufgeholt auf der Arschloch-Skala“) und auch Erdogans verschärfte Innenpolitik in der Türkei ist für manchen Stich gut („Wir haben Internetkontrollen, dagegen ist Nordkorea Silicon Valley“).
Shiva hilft beim Kegel-Karma
Dadaistischen Irrwitz entwickelt die Nummer, die darauf folgt – und die vom fehlgeschlagenen Versuch handelt, beim Chinesen Essen zu bestellen (Ist der Fisch frisch? – Also, te hat gesagt dat er den Fiss bei mei Grossvater Kim Sol Song gekauft und er hat zu meine Schwester Kim Sol Hi geschickt die mit mein Bruder Ko Yong Hi ein Laden im Großmarkt hat. Der Fiss is wahrscheinlich friss).
Nicht weniger wirre Szenen spielen sich auf der Bundeskegelbahn in Kalkutta ab. Dort will sich ein Club von Seniorendamen mit Hilfe der Kraft von Shiva auf die Qualifikation der Stadtmeisterschaft Hürth Süd vorbereiten. Selbst die motorisch untalentierte Rose-Marie soll ihr Kegel-Karma verbessern – und endlich alle Neune treffen. Der Kegelabend endet in einer indischen Tanzchoreographie, die sich auch in Bollywood sehen lassen könnte.
Wenig später entdecken Aliens, die mit ihrem Raumschiff auf der Suche nach unterentwickelten Planeten sind, die Erde und beamen eine Eingeborene aufs Kommandodeck, um sie wissenschaftlich zu untersuchen. Der Erdling entpuppt sich als Tanzmariechen, das um flotte Sprüche nicht verlegen ist („mir sajen, wat wohr is, mir trinken, wat klor is, mir poppen, wat do is“). Nach einer Einführung in Kölsch, Bützen und Frikadellen müssen die Außerirdischen feststellen: Vor ihnen steht das höchstentwickelte Lebewesen des ganzen bekannten Universums, das zwischen dem Karneval-Feiern nicht mal zu schlafen braucht.
Vom Raumschiff ins Rheinland: Im ultimativen NRW-Duell muss sich Düsseldorf endlich mit Köln messen. Nur: Der Moderator hat von fairen Spielregeln noch nicht viel gehört. Denn das Duell findet in Köln statt, und da steht der Sieger von vornherein fest.
Themen, die die Immis dieses Jahr noch bewegen: Kunst, die sich an Flüchtlingsdramen labt (mit Skulpturen aus den Originalplanken eines untergegangenen Flüchtlingsbootes). Das 1:7 für Brasilien bei der Fußball-WM. Hooligans, die gegen Islamisten demonstrieren wollen, aber nicht einmal den Weg zur Demo finden.
Kögida („das ist eine Pegida, die glaubt dass Köln ein Kontinent ist“). Schulkinder, die einen Terminkalender wie ein Top-Manager haben. Sogar Conchita Wurst hat einen Auftritt („Alles hat ein Gender nur die Wurst hat zwei“). Die maroden Kölner Brücken, die sich beim Arzt treffen auf der Suche nach einem Aufputschmittel („Ich habe eine akute Fahrbahnverengung“).
Die beiden Puppen lassen sich derweil launig über das Weltgeschehen aus, etwa den Gauchotanz der Nationalelf und seine Folgen („Angriffe über Rechtsaußen darf Jogi Löw jetzt gar nicht mehr durchführen“) und die Mühen bei der Wahl eines sicheren Internet-Passworts.
Am Ende trifft eine Schar eingewanderter Kakerlaken auf dem Kölner Hauptbahnhof zusammen – und erkennt, dass man in Köln nicht lange einsam bleiben muss. Denn: „Jeder Kölner ist ein Immigrant, weil jeder Immi wie die Mymmi erst hier seine Heimat fand.“
Karten für die Immisitzung 2015 gibt es auf www.immisitzung.de noch für ausgewählte Termine: 22.1., 25.1., 29.1., 5.2., 10.2., 15.2. (11 Uhr).
(Quelle: Pressemitteilung der Immisitzung)